Donnerstag, 14. April 2016

Im automobilen Alltag - Der GAZ 69

Kann man, oder kann man nicht? Mit dem Oldie im Alltag?
Ein Bericht über automobile Askese und Selbsterfahrung.

Askese. Wikiedia beschreibt das als Üben. Selbstschulung aus religiöser oder philisophischer Motivation zur Erlangung von Tugenden und Fähigkeiten.
Im Falle des GAZ 69 im Alltag vorallem der Leidensfähigkeit des Fahrers.



Die Geschichte beginnt, wie schon öfters, mit dem werkstattbedingten Ausfall des Alltagswagen. Gut, Inspektion und "kleinere" Reparaturen sollten innerhalb von drei Tagen erledigt sein. In der Zeit nehm ich eben den GAZ. So der Plan. Dass drei Tage allerdigs durchaus drei Wochen werden können, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Der GAZ ist als solches ein Geländewagen im ganz klassischem Sinne. Starrachsen mit Blattfedern an Hebelstoßdämpfern. Es ist nur das an Bord, was unbedingt gebraucht wird. Eine Konstruktion der späten 40er, frühen 50er Jahre, entwickelt und gebaut in der Sowejtunion.
Die Serienfertigung begann 1953 in Gorki.

Mein GAZ entspricht allerdings nicht mehr der Serienzustand. Der Vorbesitzer hat den originalen 2,4l Ottomotor gegen einen 2,3l Dieselmotor von Opel getauscht. Wobei der Motor recht gut zum Charakter des GAZ 69 passt.

Der Dieselmotor ist auch der Grund, dass die morgentliche Hektik nicht mehr stattfindet. Vorglühen. Langsam aufwachen. Per Startknopf erwacht der GAZ. Gefühlvolles Warmfahren. Das Dreiganggetriebe verlangt Zwischengas und Zwischenkuppeln, um den Schaltvorgang möglichst geräuschlos auszuführen.

Fahrbahnunebenheiten, Schlaglöcher werden ungefiltert an die Insassen weitergegeben. Die Karosse erzittert, zuweilen trampelt die Hinterachse. Die servolose Lenkung erfordet einen festen Griff. Auch die Bedienung der Pedalerie fördert das Muskeltraining in den Beinen. Die straffe Brems-Wade ist garantiert. Doch die Einkreis-Trommelbremse verzögert den rund 1,5t schweren Wagen ausgezeichnet. Das ist aber auch den modernen Reifen geschuldet, die ich für gelegentliche Geländeausritte aufgezogen habe.



Das Fahrgefühl hinter dem großen Lenkrad mit Aussicht auf die lange Motorhaube hoch oben ist äußerst angenehm. Beste Übersicht nach vorn. Zu den Seiten und nach hinten durch die kleinen Fenster im Verdeck jedoch ziemlich eingeschränkt. Aber man soll ja noch vorn blicken...



Fahrtwind und die Unbilden des Wetters sind dem GAZ-Fahrer nicht nur vom Hörensagen bekannt. Die Seitenwindempfindlichkeit ist in Folge des recht hohen Aufbaus deutlich zu spüren. Die Steckfenster lassen auch den einen oder anderen Regentropfen ins Innere.
Dafür ist es stets mollig warm, häufig auch richtig heiß. Die Heizungsregelung erfolgt über einen Hahn im Motorraum. Da man aber nicht dauernd anhält, um die Temperatur nachzuregeln, kann man auch der Einfachheit halber die Steckfenster abnehmen. Warme Füsse und frische Luft um die Nase.
Und stets ein Grinsen im Gesicht.

Auch die passiven Verkehrsteilnehmer, hauptsächlich Kinder am Straßenrand, finden den GAZ immerwieder toll. Fröhliches Winken und Fingerzeigen. Man kann auf den Lippen ein "cool" oder "Mama, gugg mal!" ablesen. Ich wüsste nicht, wann mir das mal in meinem Alltagswagen passiert ist.

Natürlich bleibt auch die eine oder andere Panne nicht aus. Als erstes verabschiedet sich nach vier Tagen der Keilriemen zur Lichtmaschine. Dieser ist nach 20minütiger Fummelei gewechselt.
Am 7. Tage verabschiedet sich dann noch der Keilriemen des Lüfters, was durch eine schnell steigende Kühlwassertemperatur auffällt. Leider hab ich keinen Ersatzriemen dabei.
Doch der Lichtmaschinenkeilriemen passt auch. Naja, irgendwie. Der ist etwas zu lang, aber es reicht, um den Lüfter anzutreiben. Mit diesem Provisorium ist dann auch der Heimweg kein Problem.

Nach drei Wochen im GAZ und knapp 1500km später ist die Leidensfähigkeit des Fahrers, bzw die Askese im Sinne von Schulung (hier: Eine asketische Schulung beinhaltet Disziplinierung sowohl hinsichtlich des Denkens und Wollens als auch hinsichtlich des Verhaltens.) eigentlich nicht mehr der Rede wert. Ein Auto reduziert auf das, wofür es gebaut wurde. Die Insassen von A nach B - im Falle des GAZ auch über C nach Z, auch ohne Straßen - zu bringen.

Der Spritverbrauch hat sich bei rund 8,7l Diesel eingepegelt. Im Vergleich zum Originalmotor richtig sparsam.



Mein Alltagswagen ist nunmehr wieder verfügbar, ich gönne dem GAZ die wohlverdiente Pause. Doch ehe ich einen Werkstattersatzwagen in Anspruch nehme... Nein! Ich fahr wieder GAZ.











Quelle: Wikipedia
Askese (griechisch ἄσκησις áskēsis), gelegentlich auch Aszese, ist ein vom griechischen Verb askeín (ἀσκεῖν) ‚üben‘ abgeleiteter Begriff. Seit der Antike bezeichnet er eine Übungspraxis im Rahmen von Selbstschulung aus religiöser oder philosophischer Motivation. Angestrebt wird damit die Erlangung von Tugenden oder Fähigkeiten, Selbstkontrolle und Festigung des Charakters. Der Praktizierende wird Asket (griechisch ἀσκητής askētḗs) genannt.
Eine asketische Schulung beinhaltet Disziplinierung sowohl hinsichtlich des Denkens und Wollens als auch hinsichtlich des Verhaltens.